Ich tausche mich gerne mit anderen Kindertagespflegepersonen und auch anderen pädagogischen Fachkräften online aus. Dieser Austausch hier hat mir gut gefallen und gut getan. Die Betreuungsumstände sind HÄUFIG wirklich gruselig, aber machen kann immer nur ICH SELBST etwas. Das ist auch der Anspruch, den ich an mich, meine Arbeit, mein Leben stelle. ICH warte nicht ab, dass jemand anders etwas tut, ICH SELBST verändere es! 💚
Wenn ich mit meinen Antworten und auch mit diesem Blog auch nur einen Menschen dazu bringe, sich näher, intensiver, liebevoller mit dem eigenen oder ihm anvertrauten Kind zu beschäftigen, dann war es doch schon ein riesiger Erfolg. Für das betreffende Kind bedeutet es DIE WELT! 🐛
Der Dialog hier gibt meine Haltung sehr deutlich wieder. Ich habe jetzt so viele Fortbildungen gemacht und Bücher gelesen, die mir das bestätigen. Genauso, wie es mir DIE KINDER immer wieder bestätigen. Die Beitragserstellerin hatte ursprünglich gefragt, wie die Kolleg:innen mit „Bestrafungen“ umgehen. Hierzu hat sie vielfältige Antworten erhalten, viele davon waren eindeutig den Kindern zugewandt, dass Strafen unnötig sind, wenn man mit den Kindern auf Augenhöhe ist. Dann gab es eine Antwort, die ich hier posten möchte, auf die ich dann selbst geantwortet habe.
Person A: Wir sprechen niemals von Bestrafung, sondern immer von Konsequenzen. Nur mit einer im Zusammenhang stehenden Konsequenz kann das Kind daraus lernen. Dies kann verschieden aussehen. Je nach Situation. Ein Beispiel: Im Außengelände bewirft ein Kind die anderen mit Steinen. Es muss daraufhin erstenmal vorne bei den Erziehern spielen, wo es gut gesehen werden kann, da das Vertrauen darauf das sich dieses Kind an die Regeln des Kindergarten hält, verletzt worden ist. Hier ist wichtig es den Kindern immer zu erklären, warum sie dies nun machen müssen oder grade nicht machen dürfen. Eine Bestrafung wäre daraufhin das das Kind zum Beispiel beim Mittagsessen 1 Stunde später keinen Nachtisch bekommt weil es ja mit Steinen geworfen hat. Dies bringt dem Kind nur Frust, weil es das dann nicht versteht da es vollkommen aus dem Zusammenhang gerissen ist. Also immer unterscheiden zwischen Bestrafung und Konsequenz und immer dem Kind begründen.
Meine Antwort hierauf: Das Spielen müssen bei den Erziehern ist eine direkt folgende Bestrafung. Sie wird nur Konsequenz genannt. Das Nachtisch verweigern ist ebenfalls, wie du sagst, eine Bestrafung. Nennt Strafen beim Namen und verwendet nicht falsch das Wort Konsequenz. Die Konsequenz aus dem Beispiel mit dem Steinewerfen ist, dass die anderen Kinder getroffen und evtl. verletzt werden und dass diese das Kind nicht mehr mögen, nicht mehr mit ihm spielen wollen, ihn ablehnen. Nur das sind die Konsequenzen. Der Rest ist Strafe.
Daraufhin ergab sich mit Person B ein konstruktiver Austausch:
Person B: ja, stimmt auch wieder. Dennoch ist es wichtig, dass die „Strafe“ in Verbindung mit der „Tat“ steht. Es ist eigentlich die Konsequenz aus unserer Sicht: „Ich kann dich nicht da hinten spielen lassen, weil ich mich.. nicht darauf verlassen kann…“ Wenn man nicht gerade eh rotiert, weil gerade noch eins abgeholt, ein anderes von der Schaukel gepurzelt oder vom Dreirad gefallen ist…., kann man ja noch die „Konsequenz“ erklären, dass man sich soooo keine Freunde macht.
Ich: Strafen helfen leider überhaupt nicht. Sie verschlechtern die Verbindung und Beziehung zum Kind nur. Er möchte gesehen und gehört werden. Strafen sind kontraproduktiv und falsch.
Person B: Bitte alternatives Vorgehen in o.g. Situation beschreiben… und bitte OHNE die Bedürfnisse der restlichen Gruppe außer Acht zu lassen. Ich glaube ein „normaler“ Kindergarten ist per se nicht auf die Bedürfnisse solcher Kinder ausgerichtet. Natürlich wäre es schön und wünschenswert diesem Kind 20 mal am Tag so zu begegnen, wie es seinen Bedürfnissen entspricht, aber das ginge nur zu Lasten der anderen 24 Kinder, im Außenbereich vielleicht sogar noch mehrerer. Ich sage nicht, dass eine Gruppengröße von 25-30 Kindern das Nonplusultra ist, aber das ist die Realität und die funktioniert leider nur, wenn sich halbwegs an die Regeln gehalten wird. Bedürfnisorientierung ist super, gehört aber v.a. in die Familie. Kommt das Kind dort zu kurz, ist es für eine herkömmliche Einrichtung einfach schwierig, das auszugleichen. Aber ich lasse mich da gerne eines Besseren belehren und bitte um die konkrete Beschreibung eines adäquaten Vorgehens in o.g. Situation (plus Kind verhält sich zum wiederholten Male am Tag für andere Kinder gefährlich). Ich bin gespannt!
Ich: Das Kind wirft mit Steinen auf andere Kinder. Natürlich muss ich das sofort unterbinden, indem ich „Stopp“ sage und mich zwischen Werfer und Beworfene stelle. Dann kniee ich mich runter zum Kind und formuliere, was ich von ihm will, kurz, prägnant. „Stopp, bitte aufhören.“ Eine Person tröstet das beworfene Kind. Dann gehe ich in Kontakt zum werfenden Kind, mit einer freundlichen und wohlwollenden inneren Haltung. „Was brauchst du?“ „Wie kann ich dir helfen?“ Dann dem Kind zuhören. Aktiv zuhören, sich wirklich für zwei Minuten nur mit ihm beschäftigen. Mit ihm zusammen herausfinden, was er gerade braucht und wie es möglich ist, das Bedürfnis nach z.B. Aufmerksamkeit, Nähe, Selbstwirksamkeit erfüllen zu können. Wirksam sein lassen, ihm Wert geben! Blumen gießen? Mithelfen ein Sonnensegel zu spannen? Einen Parcour aus Sandförmchen aufbauen? Die anderen Kinder werden sich sicher nicht alle in den 2-3 Minuten die Köpfe einschlagen. Wenn dem Kind immer wieder aufmerksam zugehört wird, er sich gesehen fühlt und angenommen, dann wird er im Sinne der Gruppe handeln. In einem späteren Moment, wenn er ruhiger ist, wird die Situation nochmal besprochen, in wohlwollender und respektvoller Weise.
Person A, auf deren Antwort diese Unterhaltung dann anfing hat mitgelesen und sich dann auch nochmal geäußert: finde ich schwierig. Frech sein und provozieren macht jedes Kind. Das ist normal. Ich finde es falsch dann so zu reagieren. Dann tanzt das Kind meiner Meinung nach uns Erzieher auf der Nase herum. Aber ich weiß das es auch Leute gibt die anderer Meinung sind. Das akzeptiere ich
Ich: Ich wünsche Dir, dass Du mal an einer Fortbildung teilnehmen kannst, in der dieses Thema bearbeitet wird. Alles Gute!
Person B: Danke für die ausführlichen Worte. Da ist sicher viel Wahres und Gutes dran, aber ich muss noch einmal darauf hinweisen, dass die Rahmenbedingungen in einem Kindergarten einfach andere sind als in der Tagespflege. 50 Kinder machen allein schon einen ganz anderen Lärm als 5 … ein „ruhiges“ Gespräch ist kaum möglich in Stoßzeiten, auch schreit man eher mal „Stopp“ und sagt es nicht (das hört keiner)…. Dennoch, ich verstehe was gemeint ist und tatsächlich funktioniert es. Ich habe während der Pandemie, in Zeiten von Notbetreuung und Co festgestellt, dass genau diese Kinder in der kleineren Gruppe, im ruhigeren Umfeld, wenn man auch einmal die Gelegenheit hat, sich länger und ausgiebiger mit ihnen auseinanderzusetzen, total aufblühen und ihre wunderbaren Seiten zeigen können. Ich versuche es natürlich auch jetzt danach noch und natürlich wirkt es dann auch, aber oftmals kann man sich einfach nicht zerteilen. Ich glaube aber, dass man uns da keinen Vorwurf machen kann. Das Problem liegt im System, ja, in unserer Gesellschaft. Ich glaube ich habe es schon erwähnt… Gruppenstärken von 10 bis max. 15 Kindern, das wäre wünschenswert, trifft sich aber nicht mit dem „Anspruch“ (das Wort schon!) auf Fremdbetreuung…. ist also eher in naher Zukunft kein Thema, vielmehr ist von Aufstockung auf 30 Kinder die Rede… oh ja, und dann gefühlte 300 Dezibel bis zur Rente mit 70 – oh yeah! Nicht falsch verstehen, das klingt als würde ich meinen Job hassen, stimmt nicht, wer mich kennt, weiß das. Ich liebe die Arbeit mit Kindern und auch mit unserem Team bin ich glücklich und stolz wie wir alles meistern, aber ich würde mir wünschen, dass man uns auch mal sieht, vielleicht die Rahmenbedingungen überdenkt… Wir sind leider auch nicht unendlich… und mit der steigenden Anzahl an Kindern mit „besonderen Bedürfnissen“ (ich nenne es jetzt mal so und mache auch hierfür die Gesellschaft verantwortlich) wird es auch nicht einfacher.
Ich: Jetzt komm ich erst zum antworten… Auch dir danke ich für deine ausführliche Antwort und den schönen Austausch. Die Rahmenbedingungen in den meisten Kitas sind prekär! Ich finds unter aller Würde, dass die Verantwortlichen nicht endlich für ordentliche Personalschlüssel sorgen, statt hier weiter alles in die Schei….. zu reiten. Pädagoginnen in den Einrichtungen gehen größtenteils auf dem Zahnfleisch! Das ist mir absolut bewusst und ich finde es absolut bewundernswert, aber zugleich auch furchtbar schrecklich, wie die aktuelle Situation ist. Das ist für mich auch ein Grund gewesen, selbstständig zu werden als KTPP. Ich möchte mich kümmern KÖNNEN, das ist schon mit wenigen kleinen Knirpsen anstrengend. Und nebenbei: Ums Vorwürfe machen geht es mir persönlich überhaupt nicht. Ich selbst möchte gern handeln, ich halte nichts vom Dauerjammern (JA, jeder muss sich mal auskotzen! Mach ich auch! Aber dann wieder nach vorne blicken!) oder Dinge nur schlechtreden. ICH bin ein Macher, und ich FINDE Lösungen. Diese Lösungen für mich hier in meiner Kindertagespflege sind für MICH gedacht. Aber der Grundgedanke, den ich hier vermitteln möchte, können wirklich ALLE Pädagogen zumindest mal durchdenken. Kinder WOLLEN kooperieren. Kinder, die Probleme machen, HABEN welche, und zwar ganz schreckliche, bei deren Bewältigung sie Hilfe benötigen. Und wenn keiner zuhört, was bei der aktuellen Betreuungssituation einfach verdammt schwer umzusetzen ist, dann eskaliert sowas auch. Es geht mir darum, dass wir alle wohlwollend auf die Kinder blicken, und erst recht auf diejenigen, die den größten „Ärger“ machen, denn sie benötigen die größte Hilfestellung, und zwar dringend. Kinder müssen vor allem EMOTIONAL begleitet werden in der Zeit zwischen 0-6. Da liegt die große Herausforderung unserer Zeit. Das System, die Gesellschaft, die Kinderbetreuung, war damals so angelegt, dass die Kinder irgendwo unter sind, damit die Eltern arbeiten können. Und zur damaligen Mentalität, die sich bis heute leider noch hartnäckig in vielen Köpfen hält, zählte, dass Kinder gerne Freude und Erfolge, jedoch auf garkeinen Fall Wut oder Frust laut zum Ausdruck bringen sollten. Diese Gefühle wurden umgehend gestoppt, eingedämmt, sollten unterdrückt werden. Das Kind hatte sich anzupassen, damit es später schon gelernt hat, wie es im Leben so läuft. Ober sticht Unter. UND GENAU DA LIEGT DER AKTUELLE WANDEL! Unsere Kinder sollen keine angepassten Ja-Sager mehr sein. Wenn sich jedes Kind nach seinem Potential entfalten kann, so bringt es den größten Wert mit in die Gemeinschaft, da es in sich selbst ruht und zufrieden ist. Wir müssen keine künstlichen Regeln von anno Zwieback aufrecht erhalten, die Kinder kleinreden, durch Machtgefälle demonstrieren, „wer hier das sagen hat, denn, wenn du mal arbeiten gehst, sagt dir der Chef auch, was du zu tun hast. Und wenn du nicht hörst, dann bist du deinen Job los.“ Genau diese Grütze löst sich gerade auf. Chefs wollen auch keine Ja-Sager mehr, sondern Mitarbeiter, die Dinge hinterfragen, Strategien entwickeln, Lösungen finden und an die Zukunft denken, nicht in der Vergangenheit leben. Und GENAU DAS beginnt schon mit ca. 2 Jahren, wenn die Autonomiephase beginnt. Ganz allmählich entwickeln die Kinder ihren eigenen Willen, eigene Interessen, etc. Und wenn das alles mit einem Blick von anno Zwieback beäugt und verwaltet wird („Der will nur Grenzen austesten, der ist frech, die zickt rum, lass dich da nicht um den Finger wickeln, sonst tanzen sie dir auf der Nase rum, diese Tyrannenkinder…), dann haben die Kinder KEINE CHANCE in diesem stattfindenen Wandel mitzuhalten. Es ist einfach verdammt komplex, ich könnt da jetzt noch drei Seiten schreiben… Lasst uns doch bitte unseren (anvertrauten) Kindern helfen, mit ihren Gefühlen klarzukommen. Schmeißt mal für ne Weile die Einheitsbasteleien und Zwangsangebote über Bord und kümmert euch um die Gefühle jedes einzelnen Kindes eurer Gruppe! Lernt es kennen, sprecht es aktiv an, INTERESSIERT euch für sie! Hängt bitte 90% der beruflichen Distanz an den Nagel, denn ihr arbeitet hier mit Kindern, die sich sicherlich nicht daran erinnern, wieviele Blumentöpfe, Schneemänner oder Sonstiges sie gebastelt haben, sondern daran, ob die „Lydia“ eine total nette Erzieherin war oder der Tobias ganz oft mit ihnen Fußball gespielt hat oder die Melek einfach die allerbesten Witze erzählt und am spannendsten vorgelesen hat. Meine beiden Tageskinder sind grad jeweils 14 Monate alt und ich knuddel und drücke sie jedesmal, wenn sie es brauchen. Und ich hab sie lieb, auch, wenn es eine andere Art und Weise ist als bei meinen eigenen Kindern, aber ich habe keine wirkliche Distanz zu Ihnen. Sie brauchen mich mit aller Zuwendung und Nähe, die ich ihnen geben kann. DAS brauchen die Kinder. Und ich wünsche euch allen, dass ihr eure Herzen richtig weit öffnet für die euch anvertrauten Schätze, die unser aller Zukunft sind! Und um meinen Roman nochmal kurz einzuordnen: Ich meine mit meinen Ausführungen hier niemanden persönlich! Ich möchte niemanden angreifen oder schlecht machen, ich glaube, jeder hier in dieser Gruppe gibt sein Bestes! Die Zeiten ändern sich einfach und wir dürfen uns mit den Zeiten ändern, damit wir den Anschluss an die Kinder nicht verlieren!
Person B: Wow … dafür fällt meine Antwort umso kürzer aus! Dieser Idealismus, dieses Feuer ist oder sollte zumindest die Quintessenz unserer Arbeit sein. Schön geschrieben!