Meine große Maus bastelt sehr gern und ist absolut ideenreich! Nun hat sie ein neues Kleid bekommen und es mit Schneidübungen in Stoff kurzerhand umdekoriert…
Neu, gerade getrocknet von der ersten Wäsche…
… war das Kleid, auf das sie sich schon gefreut hat. Sie zog es an, fand den Kuschelstoff total toll und verschwand. Später sah ich sie im Wohnzimmer mit der Nagelschere sitzen. Ist bei uns nichts Ungewöhnliches, da sie diese immer zur Verfügung hat und sich selbst die Nägel schneidet. Zu Anfang hat sie das auch. Und dann überkam sie der Forschungsdrang!
Es schnibbelt sich anders in Stoff!
Wir haben es bisher noch nicht gemacht, da ich noch garnicht dran gedacht hatte, ihr mal Stoff zum schneiden zu geben. Nun, sie hat es selbst getestet und sehr geschickt viele Löcher in das Kleid geschnibbelt. Auf jeden Fall ein Level up ⭐️ im Schneiden!
Dann kam sie zu uns und präsentierte voller Stolz ihre Arbeit! Sie zeigte auf die einzelnen Löcher, lachte und freute sich, uns das Kleid zu zeigen!
Erste Reaktion: Lachen!
Früher wäre ich wohl sauer geworden, hätte gemotzt, gemeckert, mich aufgeregt. Wie kann sie nur, das schöne Kleid, gerade neu gekauft, zum ersten Mal an, schon zerstört, so furchtbar, was soll der Mist, blablabla…
Zum Glück bin ich da schon umprogrammiert!
Die erste Reaktion meinerseits nimmt sie ja mal als Reaktion darauf auf, dass sie mir ihre Schneidübungen in Stoff präsentiert hat. Hätte ich jetzt rumgemotzt, würde sie natürlich weiterhin viele tolle Dinge machen, auch manche, die ich vielleicht nicht toll finde. Aber sie würde es mir nicht mehr erzählen, weil sie nicht angemotzt werden will. Verständlicherweise, denn es ist verletzend! Sie ist so stolz darauf, was sie geschafft hat, und wenn sie es erzählt möchte sie nicht geschimpft werden sondern gesehen!
Die penible Arbeit würdigen!
Mein Gelächter hat bei meinem Mann einen fassungslosen Gesichtsausdruck hervorgerufen, aber er hat sich zurückgehalten. Ich habs gesehen, er hätte gern was gesagt, blieb aber stumm. Somit konnte ich die Situation weiterführen, mir die Löcher alle anschauen, mit ihr drüber sprechen, dass sie nun das Kleid mit den Löchern so nicht mehr draußen anziehen kann (was theoretisch quatsch ist, kann sie nämlich doch) und ich das Kleid jetzt leider wegschmeißen muss. (So werde ich das wahrscheinlich beim nächsten Mal nicht sagen. Je nach Grad der Zerstörung sind viele Dinge noch zu retten!)
Das mit dem Wegschmeißen habe ich aber im Nachhinein revidiert. Ja, ich habe meine Aussage vor ihr zurückgenommen und ihr erklärt, dass ich nun doch eine Idee habe, wie ich das Kleid retten kann. Es ist durchaus möglich, meiner Tochter zu erklären, dass ich im ersten Moment dachte, ein Umstand wäre so, es aber im Nachhinein anders aussieht, nachdem ich nochmal in Ruhe darüber nachgedacht habe. Das hat nun nichts mit Inkonsequenz zu tun, denn auch Eltern können ihre Aussagen mal zurücknehmen oder eine getroffene Entscheidung noch verändern. Meine Große versteht sowas!
Da meine Große ein absoluter Yakarifan ist passen diese Aufnäher ganz wunderbar. Ich mach dann das Kleid wieder hübsch und dann ist sie sicher stolz drauf. Dass sie bitte keine weitere Kleidung zerschneiden soll habe ich natürlich mit ihr geklärt.
Ganz simple Erfahrungen beim Basteln.
Es sind einfach Erfahrungen, die sie machen möchte. Aus reiner Neugier. Um zu lernen, wie die Welt funktioniert! Sie hat mir erzählt, dass sie gern weitere Schneidübungen in Stoff machen möchte. Es ist ja alles da, so hat sie dann einige Stofffetzen bekommen, die sie nach Herzenslust zerschnibbeln konnte. Ich habe ihr auch gesagt, dass sie mich beim nächsten Mal, wenn sie irgend etwas zerschneiden möchte, erst fragt, ob das geht oder ob ich ihr sowas ähnliches dann geben kann.
Auf Augenhöhe und mit Respekt
Meine Große ist nun nicht völlig traumatisiert davon, dass ich sie angebrüllt hätte oder zur Schnecke gemacht, weil sie soviel Unfug im Kopf hat. Hat sie nicht.
Sie hat genauso gehandelt, wie es die Natur in uns Menschen angelegt hat. Ausprobieren, experimentieren, erleben! Und dafür werde ich sie nicht verurteilen oder verängstigen. Gewisse Dinge, z.B. dass man nicht an fremden Autos entlang schrubbt oder mutwillig Möbel oder ähnliches zerstört haben wir ihr schon vorher erklärt. Sowas würde sie auch nicht ausprobieren. Aber Alltagsgegenstände sind da einfach nicht mit eingeschlossen worden. Ich werde ihr auch jetzt keinen Katalog vorbeten, an den sie sich halten soll.
Die Kirche im Dorf lassen
Es ist zwar nicht schön, ich fand es auch schade, dass das neue Kleid beim ersten Anziehen „kaputt“ geschnitten wurde. Aber was solls! Ist jemand daran gestorben? – Nein. Verletzt worden? – Nein. Sind wir nun bankrott? – Nein. Kühlschrank für immer leer? – Nein. Also ist es einfach nicht so schlimm! Nicht mal annähernd schlimm genug, um Gebrüll und Verängstigung und eine gestörte Beziehung zum Kind zu rechtfertigen.
Zum Glück bin ich mir dessen bewusst! Viele werden jetzt sagen: „Oh man, ich wäre da nie auf die Idee gekommen, mein Kind anzubrüllen wegen Schneidübungen in Stoff.“ Das ist wunderbar! Aber manche Eltern tun es doch. Wegen nichts. Rumschreien. Packen und festhalten, vielleicht ohrfeigen. Die Kinderseele verletzen. Wegen einem Stück Stoff.